KRISEN UND KONFLIKTE

Das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK) ist Teil der globalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, die in 191 Ländern aktiv ist. Bei Katastrophen sind die nationalen Gesellschaften des Roten Kreuzes bzw. des Roten Halbmonds oft die Ersten vor Ort. Bei Bedarf an internationaler Unterstützung kann über etablierte Mechanismen der Bewegung schnell und koordiniert zusätzliche Hilfe angefordert werden. Diese Struktur stellt sicher, dass wir effektiv und effizient helfen können.


GAZA

Die Situation in Gaza hat sich im Jahr 2024 weiter verschlechtert. 1,9 Millionen Menschen (das sind 90 Prozent der Bevölkerung) wurden zwischen Oktober 2023 und Ende 2024 vertrieben, mehr als 45.000 Menschen getötet und mehr als 108.000 Menschen verletzt - viele von ihnen mit lebensverändernden Auswirkungen. 69 Prozent der Infrastruktur und aller Gebäude im Gazastreifen wurden zerstört. Der betroffenen Bevölkerung fehlt es an allem.

Angesichts des enormen Bedarfs in Gaza leisteten die Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften auch im Jahr 2024 dringend notwendige humanitäre Hilfe. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) versorgte über 1,49 Millionen Menschen mit Hilfsgütern und verbesserte den Zugang zu sauberem Wasser für mehr als 1,4 Millionen Menschen. Der Palästinensische Rote Halbmond (PRCS) blieb trotz der lebensbedrohlichen Bedingungen im Einsatz. Der PRCS konzentrierte sich auf die medizinische Versorgung und Evakuierung:

  • Über 115.000 Menschen wurden notfallmedizinisch versorgt.
  • Mehr als 9.200 getötete Personen wurden transportiert.
  • Der PRCS betrieb 28 Gesundheitszentren und Krankenhäuser, die über 1,71 Millionen Menschen behandelten.
  • Mehr als 204.000 Menschen erhielten psychosoziale Unterstützung.
  • Über 1,69 Millionen Hilfsgüter wurden verteilt.

Christopher Friedrich, Wasser- und Sanitärexperte des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK), in Gaza auf Einsatz

"Die Menschen, die ich vor Ort getroffen habe, haben mir erzählt, dass sie mit nur einem halben Liter Trinkwasser pro Tag auskommen müssen."

Im Mai 2024 eröffnete das IKRK in Rafah im Süden von Gaza ein Feldspital, nachdem die medizinische Infrastruktur fast vollständig zerstört worden war. Bis Jahresende wurden dort über 49.100 Konsultationen, 2.100 Operationen (die meisten davon Verletzungen aufgrund des bewaffneten Konflikts), 1.200 Patient:innenaufnahmen, 257 Geburten und 763 Psychoterapieeinheiten durchgeführt. Das ÖRK unterstützt das Feldspital mit einer hochspezialisierten Trinkwasseraufbereitungsanlage.

Noch immer befinden sich im Gazastreifen Menschen, die am 7. Oktober 2023 als Geiseln genommen wurden. Als neutraler Akteur konnte das IKRK 2024 die Freilassung von über 100 Geiseln aus dem Gazastreifen und von über 150 palästinensischen Gefangenen aus israelischer Haft unterstützen.

28 Freiwillige und Mitarbeiter:innen, 22 vom PRCS und 6 von Magen David Adom in Israel, wurden während des Einsatzes getötet. Das Rote Kreuz setzt sich unaufhaltsam für die Einhaltung des Humanitären Völkerrechts und den Schutz der Helfer:innen ein. 2024 wurde das 75-Jahre-Jubiläum der Genfer Konventionen begangen: Sie bilden die Grundlage des Humanitären Völkerrechts und regeln den Schutz von medizinischem Personal, medizinischen Einrichtungen und der Zivilbevölkerung. Der betroffenen Bevölkerung fehlt es an allem. Lebensnotwendige Hilfsgüter nach Gaza zu bringen ist für Hilfsorganisationen extrem schwierig.

"Die schiere Zerstörung, die Missachtung des Lebens und der Menschenwürde ist entsetzlich. Dieser Konflikt droht eine gefährliche Toleranz gegenüber Verstößen zu etablieren, die zum Präzedenzfall für die Art und Weise werden könnten, wie in Zukunft Kriege geführt werden. Die Genfer Konventionen bestehen darauf: Jedes menschliche Leben ist gleichermaßen schützenswert."

Mirjana Spoljaric, Präsidentin des IKRK

Das ÖRK hat über 13 Millionen Euro bereitgestellt, um auf die Situation in Gaza und den Nachbarländern zu reagieren und sich auf eine mögliche Ausweitung des Konflikts vorzubereiten. Unterstützt werden wir dabei durch die Austrian Development Agency und den Auslandskatastrophenfonds der österreichischen Bundesregierung.

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GAZA

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  • News: Medizinische Hilfe für Gaza: Rotes Kreuz eröffnet Feldspital in Rafah
  • News: Humanitäre Hilfe unter schwersten Bedingungen

HUMANITÄRES VÖLKERRECHT

  • Petition zum Schutz des Humanitären Völkerrechts
  • Podcast: Humanitäres Völkerrecht
  • Blog: Das humanitäre Völkerrecht ist die Basis unserer Existenz
  • News: Das Humanitäre Völkerrecht unter Druck

AFGHANISTAN

In Afghanistan sind 23,7 Millionen Menschen auf humanitäre Unterstützung angewiesen; die meisten brauchen Nahrungsmittel, medizinische Hilfe und sind auf die Versorgung mit Wasser angewiesen. Die Hälfte der Bevölkerung lebt in Armut und das Land ist immer wieder Naturkatastrophen ausgesetzt - viele davon bedingt durch die Klimakrise. Zudem werden die Rechte von Frauen im Land immer stärker eingeschränkt, ihre Chancen auf Bildung und Beruf werden zunehmend geringer.

Das ÖRK hat in den letzten zwei Jahren gemeinsam mit dem Dänischen Roten Kreuz (DRC) und dem Afghanischen Roten Halbmond (ARCS) ein Projekt umgesetzt, mit dem wir die primäre Gesundheitsversorgung von über 100.000 Menschen verbessern konnten. Durch mobile Gesundheitsteams wurden ländliche Gemeinden erreicht, die zum Teil seit mehreren Jahren von jeglicher medizinischer Versorgung abgeschnitten waren - einige sind über vier Stunden von der nächsten Gesundheitseinrichtung entfernt. Die Teams bestehen aus einer Ärztin oder einem Arzt, einer Hebamme, einer Immonologin/einem Immunologen, einer Ernährungsexpertin/einem Ernährungsexperten sowie zwei Sozialarbeiter:innen. Auf diese Weise kann das gesamte medizinische Spektrum - von Krankheiten über Unterernährungserscheinungen bis hin zu psychologischen Problemen - behandelt werden. Die Hebammen in den Teams haben über einen Zeitraum von 18 Monaten an die 3.600 Schwangerschaften begleitet und regelmäßige Untersuchungen durchgeführt, die Ernährungsexpert:innen haben für die Behandlung unterernährter Kinder gesorgt.

Außerdem wurden im Zuge des Projekts Berufsbildungsprogramme für Frauen angeboten. Vor allem alleinstehende Frauen und ihre Angehörigen haben in Afghanistan derzeit wenige Möglichkeiten, ein regelmäßiges Einkommen zu erwirtschaften. Das Projekt knüpfte an die Arbeit der bestehenden Wohlfahrtszentren ("Marastoon" in Pashtu) an, in denen Frauen, die in Armut leben, zusammen mit ihren Familien temporär aufgenommen und versorgt werden. In Zusammenarbeit mit dem ARCS wurden Trainingskonzepte erarbeitet, die durch Weiterbildung zukünftige Eigenständigkeit und größere finanzielle Sicherheit ermöglichen sollten. Insgesamt 720 Frauen wurden so erreicht und erlernten zahlreiche Handwerke - Schneiderei, Teppichknüpfen, Stickerei, Keramik, Herstellung von Kosmetika oder Lebensmittel (Öl, Honig) und auch Entwurf und Herstellung von Einrichtungsgegenständen. Andere, vor allem aus ländlichen Gegenden, erhielten agrarwirtschaftliche Unterstützung, zum Beispiel im Bereich der Nutztierhaltung. Im Zuge der Trainings wurden auch grundlegende Fähigkeiten wie die Ausarbeitung von Geschäftsplänen oder Finanzbuchhaltung vermittelt.

Das Projekt wurde duch die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit (Austrian Development Agency, ADA) finanziert und in enger Kooperation mit dem DRC sowie dem ARCS umgesetzt. Anfang 2025 startete bereits ein Nachfolgeprojekt.

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TÜRKEI

In der Nacht zum 6. Februar 2023 ereignete sich ein verheerendes Erdbeben in der Türkei und in Syrien. Das Ausmaß der Zerstörung war enorm: Mehr als 62.000 Menschen verloren ihr Leben, mehr als 125.000 wurden verletzt. Die unglaubliche Spendenbereitschaft der Österreicher:innen hat es uns ermöglicht, einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der Krise zu leisten. So konnte seit Februar 2023 mehr als 4,2 Millionen Menschen geholfen werden.

Die Hilfe des Rotkreuz- und Rothalbmondnetzwerks seit der Katastrophe:

  • Bargeldhilfe: 1.058.000 Menschen erreicht
  • Lebensunterhalt und Ernährungssicherheit: 1.751.234 Menschen erreicht
  • Schutz, Gleichstellung und Integration: 499.594 Menschen erreicht
  • Psychische Gesundheit und psychologische Unterstützung: 226,607 Menschen erreicht
  • WASH (Water, Sanitation & Hygiene): 716,779 Menschen erreicht

Eine der Personen, die wir mit unserer Hilfe erreicht haben, ist Neslihan aus Kahramanmaraş. Sie verlor in dem Beben ihre Wohnung und musste ihre drei Kinder aus den Trümmern retten. Heute lebt sie in einer Containerstadt, wo sie für sich und ihre Kinder Unterstützung vom Türkischen Roten Halbmond (TRC) erhält.

Neslihans Sohn Mehmet ist hörgeschädigt. Die Bargeldunterstützung des TRC ermöglichte es ihm, wieder Zugang zu Gesundheitsdiensten zu erhalten. Neslihan selbst verlor kurz nach dem Beben ihren Bruder. Da sie Schwierigkeiten hatte, den Verlust zu bewältigen, trifft sie sich nun regelmäßig mit Psycholog:innen des TRC, die ihr dabei helfen, ihr Leben neu zu ordnen.

Menschen

haben wir seit Februar 2023 mit unserer Hilfe erreicht.

SUDAN

Im Sudan tobt seit April 2023 ein verheerender Bürgerkrieg. Ingesamt sind an die 25 Millionen Menschen von dem Konflikt betroffen. Landwirt:innen können ihre Felder nicht mehr bestellen, die Wasser-, Strom- und Sanitärinfrastruktur ist in weiten Teilen des Landes zusammengebrochen. An die 80 % aller Spitäler und Krankenhäuser wurden entweder zerstört oder haben kein Personal mehr - der Großteil der Menschen ist ohne medizinische Versorgung. Die Nahrungssituation ist kritisch, in Teilen des Landes herrscht bereits eine Hungersnot, über 600.000 Menschen drohen zu verhungern. Durch die Kampfhandlungen haben insgesamt 13 Millionen Menschen ihr Zuhause verloren, fast drei Millionen mussten in Nachbarländern flüchten, vor allem nach Ägypten, in den Tschad und den Südsudan.

Die Sudanesische Gesellschaft vom Roten Halbmond (SRCS) ist mit seinem Netzwerk aus 40.000 Freiwilligen seit Beginn des Konflikts in allen 25 Provinzen im Einsatz. Unterstützt von der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung (IFRC) helfen sie im Osten des Landes Menschen in temporären Niederlassungen mit finanzieller Hilfe, stellen die medizinische Versorgung zur Verfügung, führen Krankentransporte durch, bauen Wasser- und Sanitärinfrastruktur und verteilen Nahrungsmittelpakete oder warme Mahlzeiten. In den umkämpften Gebieten im Süden und Westen des Landes hat die SRCS zusammen mit dem IKRK Zugang zu den Menschen, die der Konflikt am härtesten trifft. Hier steht vor allem die notfallmedizinische Versorgung im Vordergrund, aber auch Lebensmittelverteilungen sind in diesen Regionen überlebenswichtig. Unsere Partner vor Ort haben ingesamt zwei Millionen Menschen erreicht.

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